Anonymus
Im historischen Drama „Anonymus“ verschmelzen Macht, Kunst und Identität zu einem vielschichtigen Geflecht aus Intrigen. Der Film verbindet politische Spannungen des elisabethanischen Zeitalters mit der Faszination für Autorschaft und künstlerisches Vermächtnis. In der strengen Ordnung des Hofes entsteht ein Werk, das den Ursprung literarischer Größe neu deutet und zugleich das Verhältnis von Wahrheit und Darstellung hinterfragt.

| Dauer: | 130 Min. |
|---|---|
| FSK: | 12 (DE) |
| Jahr: | 2011 |
| Kategorien: | Historisch, Thriller |
| Regie: | Roland Emmerich |
| Produzenten: | Robert Leger, Roland Emmerich, Larry Franco |
| Hauptdarsteller: | Jamie Campbell Bower, Rhys Ifans, David Thewlis |
| Nebendarsteller: | Joely Richardson, Vanessa Redgrave, Sebastian Armesto, Rafe Spall |
| Studio: | Centropolis Entertainment, Columbia Pictures, Relativity Media, Studio Babelsberg |
Zwischen den Mauern von London entfaltet sich ein Spiel um Einfluss, Geheimhaltung und verlorene Zugehörigkeit. Der Graf Edward de Vere schreibt im Verborgenen, während andere seinen Ruhm ernten. Im Schatten der Bühne geraten Schrift, Macht und Verrat in gefährliche Nähe. Wer darf am Ende als Schöpfer gelten, wenn Worte zum Werkzeug politischer Ziele werden?
Besetzung, Regie und Drehorte
Der Historien-Thriller „Anonymus“ erschien 2011 unter der Regie von Roland Emmerich und feierte seine Premiere beim Toronto International Film Festival. Das Drehbuch schrieb John Orloff, während Harald Kloser und Thomas Wander die Filmmusik komponierten. Für die Kamera zeichnete Anna J. Foerster verantwortlich, den Schnitt übernahm Peter R. Adam. Produziert wurde der Film von Roland Emmerich, Larry J. Franco und Robert Leger. Die Altersfreigabe liegt bei 12 Jahren, die Laufzeit beträgt 130 Minuten.
In den Hauptrollen spielen Rhys Ifans als Edward de Vere, Vanessa Redgrave als Königin Elizabeth I. und Rafe Spall als William Shakespeare. Jamie Campbell Bower und Joely Richardson übernehmen die jüngeren Versionen der Figuren. Weitere Darsteller sind David Thewlis als William Cecil, Edward Hogg als Robert Cecil, Sebastian Armesto als Ben Jonson sowie Xavier Samuel als Earl of Southampton. Die Filmmusik wurde vom Deutschen Filmorchester Babelsberg eingespielt, das auch eng mit der Produktion verbunden war.
Gedreht wurde „Anonymus“ in den Ateliers und auf dem Freigelände von Studio Babelsberg, wo detailreiche Kulissen des elisabethanischen Londons entstanden. Der Film erhielt 2012 sechs Deutsche Filmpreise, unter anderem für Kamera, Szenenbild und Kostümbild, und eine Oscar-Nominierung für die Arbeit von Lisy Christl. Trotz seiner aufwendigen Ausstattung blieb der kommerzielle Erfolg mit rund 15,4 Millionen US-Dollar hinter den Erwartungen zurück.
Handlung & Inhalt vom Film „Anonymus“
Im modernen New York betritt Derek Jacobi das Theater und hält einen Vortrag über das Rätsel um William Shakespeare. Er hinterfragt aktiv das Fehlen handschriftlicher Manuskripte des berühmtesten Dramatikers der Welt. Gleichzeitig richtet sich Ben Jonson entschlossen auf seinen bevorstehenden Auftritt aus. Der Erzähler kündigt an, die wahre Geschichte hinter den Shakespeare-Stücken zu enthüllen – eine Geschichte voller Macht, Verrat und Ehrgeiz. Mit dieser Einführung lenkt er den Blick direkt auf das elisabethanische London, wo Intrigen, Politik und Kunst gefährlich ineinandergreifen.
In London rennt Ben Jonson mit einem Bündel Manuskripte durch die engen Gassen, während Soldaten ihn jagen. Er versteckt die Dokumente im Theater „The Rose“ und sieht, wie Flammen das Gebäude verschlingen. Soldaten nehmen ihn fest und bringen ihn in den Tower of London, wo Robert Cecil ihn verhört und die Schriften des Grafen Edward de Vere sucht. Sie durchkämmen alles, finden aber nichts. Ein Rückblick zeigt Edwards Vergangenheit: Er lebt verbannt vom Hof, während Königin Elizabeth altert und das Reich ohne Erben regiert. Ehrgeizige Nachkommen und Machtkämpfe prägen das politische Klima.
Verrat und verlorene Identitäten
Edward de Vere beobachtet, wie ein Theaterstück die Menge bewegt, und erkennt dadurch das Potenzial der Bühne als Waffe gegen die puritanischen Cecils. Nachdem Ben verhaftet wird, lässt Edward ihn schließlich freikommen und bittet ihn, ein eigenes Werk anonym aufzuführen. Das Stück „Henry V.“ begeistert daraufhin das Publikum und stärkt zugleich den Einfluss der Theaterkunst. Doch der Schauspieler William Shakespeare beansprucht plötzlich die Autorschaft, während Edward im Verborgenen weiterschreibt. Erinnerungen an frühere Jahre zeigen zudem, wie Edward als Jugendlicher unter der Obhut der Cecils zu einem geheimen Autor wurde und eine verbotene Leidenschaft zur Königin entwickelte.
Diese Affäre hat schließlich tragische Folgen. Elizabeth gebiert ein Kind von Edward, das heimlich an eine Adelsfamilie gegeben wird. Als Edward später erfährt, dass sein Sohn Henry Wriothesley ist, wird er von der Königin verbannt. Trotzdem setzt er entschlossen seine Arbeit fort, liefert Ben neue Stücke und beeinflusst weiterhin die Bevölkerung gegen die Cecils. Shakespeare nutzt unterdessen Edwards Werke, um Ruhm und Geld zu erlangen. Als sich politische Spannungen zuspitzen, verfasst Edward das Stück „Richard III.“, um den Missmut gegen Robert Cecil zu schüren und den Thronanspruch des Earl of Essex zu stärken, doch ein Verrat zerstört schließlich den Plan.
Ben handelt aus Neid und Reue und verrät das Komplott an Cecil. Der Aufstand von Essex scheitert, Soldaten nehmen Henry gefangen, und Edward erkennt entsetzt, dass er selbst Elizabeths Sohn ist. Schuld quält ihn, also bittet er die Königin, Henry zu verschonen. Sie akzeptiert den Wunsch, fordert jedoch, dass Edward anonym bleibt. Nach Edwards Tod birgt Ben die Manuskripte aus den Trümmern des Theaters und schwört, sie zu bewahren. Der Erzähler verbindet Vergangenheit und Gegenwart und zeigt, dass die wahre Identität des Autors keine Rolle spielt, solange seine Worte weiterleben.
Filmkritik und Fazit zum Film „Anonymus“
Der Film „Anonymus“ zeigt eine beeindruckende visuelle Gestaltung, die durch opulente Kulissen und eine umfangreiche Kameraarbeit besticht. Die Kamera von Anna J. Foerster fängt das elisabethanische London mit weitläufigen Einstellungen und zahlreichen Details ein und vermittelt zugleich klaustrophobe Hofintrigen und öffentliche Aufführungen authentisch. In einer Szene beobachtet der Earl von Oxford, wie sein anonym veröffentlichtes Stück zunächst gefeiert wird – hier verbindet der Schnitt von Peter R. Adam mit dem Bild rhythmisch Aufruhr und Begeisterung. Die Musik von Thomas Wander und Harald Kloser unterlegt die politischen Spannungen mit sparsamem Einsatz, wodurch die Tonspur eher stützt als überdeckt. Diese Inszenierung gelingt bei der Ausstattung und beim Schauspiel überzeugend, erhält aber durch eine überladene Erzählstruktur leichten Bruchpunkt.
Auch die Leistungen der Darstellenden wirken gelungen: Rhys Ifans verkörpert den Earl von Oxford mit innerer Spannung und aristokratischer Verzweiflung. Vanessa Redgrave bringt in ihrer letzten Darstellung der Königin Elizabeth I. Stolz und Alter zugleich zur Geltung. Rafe Spall wiederum spielt William Shakespeare als egozentrischen Schauspieler ohne Tiefe und reißt damit bewusst die Zuschreibung des Autors ein. Eine Szene, in der Shakespeare in einem Theatersaal den Beifall der Menge entgegennimmt, während Oxford im Hintergrund bleibt, fasst die These des Films prägnant zusammen. Dennoch stören Zeitsprünge und die straffe Verdichtung historischer Vorgänge. Die Erzählstruktur wirkt fragmentiert, die politische Logik gelegentlich überladen, sodass die erzählerische Klarheit leidet.
In der Gesamtbewertung erweist sich „Anonymus“ als ambitionierter und visuell prachtvoller Film mit deutlichen Schwächen in Struktur und Faktentreue. Er spricht vor allem Zuschauer an, die Lust auf ein alternierendes Historienexperiment haben und sich weniger durch historiografische Korrektheit einschränken lassen. Für Kenner der Shakespeare-Forschung könnte das Werk problematisch wirken, da es bekannte Theorien radikal umsetzt. Wer jedoch Kostümdrama, Intrige und großes Schauspiel sucht, findet hier ein lohnendes Seherlebnis.