365 Tage – warum Fans es lieben, den Film „365 DNI“ zu hassen
Serien aus Polen haben ja in der jüngeren Vergangenheit für jede Menge Furore gesorgt bei den Streaming Diensten; allen voran die erste Staffel von „The Witcher“. Daher ist es nicht überraschend, dass auch Filme und Serien jetzt immer mehr in den Blickpunkt rücken, um den Fans ein differenziertes Angebot zu bieten. Der neueste Hit, den man jetzt bei Netflix sehen kann, ist 365 DNI, zu deutsch „365 Tage„. Und man muss sagen: der Film scheint es wirklich in sich zu haben. Denn wenn man auf die Fans und die Kritiken im Internet Wert liegt, dann ist der Hype enorm. Werfen wir also einen Blick auf einen Film, den man entweder lieben oder hassen wird.
365 Tage – die polnische Antwort auf „50 Shades of Grey“?
Wie so häufig erlauben sich Fans und Kritiker, im Netz ihre Meinung kundzutun, ohne vorher um Erlaubnis gebeten zu haben. Das ist gut und recht, denn so findet man immer wieder ehrliche Meinungen. Und eine scheint sich hier ganz besonders hervorzutun: nämlich jene, dass „365 DNI“ lediglich die polnische Antwort auf die Hit-Trilogie „50 Shades“ ist. Nur lange nicht so erfolgreich, weil viel zu schnulzig. So ist zumindest die Meinung all jener, die in den vergangenen Tagen und Wochen den Film geguckt haben. Das Konzept ist dabei ähnlich: eine Frau verliert sich in den Fängen eines reichen, aber mysteriösen Mannes. Bei „365 Tage“ ist es allerdings ein Kidnapping samt Mafia – so weit, so gut. Dass die Macher aufgrund der Buchvorlage nur wenig Freiraum hatten, sollte auch erwähnt werden. Allerdings sollte dies kein Hindernis sein. Denn Freiraum erschafft bekanntlich Möglichkeiten für neue Konzepte. Wie zum Beispiel mit interaktiven Serien bei denen der Zuschauer selber entscheidet wie es weitergeht – zukünftige Filmkritiker werden eventuell genau nach diesem Film ihr Verständnis darüber revidieren müssen, welche Grenzen tolerierbar sind und was geht.
Erotik kennt nur wenige Grenzen in „365 DNI“
Wem der Sinn aber nach ein wenig mehr…Intensität steht, der sollte nicht zu früh abbrechen. Denn wer von den 50 Graustufen enttäuscht war, der kann hier wirklich auf seine Kosten kommen. Sofern man die ersten 25 Minuten durchsteht. Denn auch wenn Netflix diesen Film als „romantisch“ einstuft, so scheint man dort ein anderes Verständnis von Romanzen zu haben. Das Kidnapping und die sexuelle Brutalität des Filmes sind mehr als grenzwertig und zwingen sicherlich mehr als nur ein paar Zuschauer dazu, entrüstet umzuschalten.
Wenn man den Meinungen der Fans trauen darf, dann sind die Sexszenen im spätere Teil des Film überraschend gut – und dienen vielleicht als zukünftiger Maßstab dafür, wie nah Netflix einem pornografischen Genre kommen wird – sind aber auf sich alleingestellt und ganz sicher nicht in der Lage, dem Film eine Tiefe zu verleihen. Vielleicht liegt hier genau die Würze und auch die Zukunft von Diensten wie Netflix – sie gehen unkonventionelle Wege, ignorieren dabei Stereotypen und erfinden so die Unterhaltungsbranche neu.
Zu viel Fokus auf Stereotypen in „365 Tage“
Ein Blick auf die Protagonisten verrät: hier wird sehr viel – einige werden sagen: zu viel – Wert darauf gelegt, einen charmanten „Badboy“ mit Mafia-Verbindungen darzustellen. Der männliche Hauptdarsteller kennt sich aus mit Waffen und Drogen, hat immer Bodyguards im Hintergrund und sieht die Welt als seinen Spielplatz. Für eine Momentaufnahme reicht dies, aber dies ist wahrlich keine Charakterrolle für den Schauspieler, der eher durch lange Blicke und einen fraglos durchtrainierten und oft nackten Oberkörper überzeugt – für die Augen ist der Film allerdings was. Wer Wert auf einen hochwertigen Soundtrack legt, ist hier falsch. Genauso falsch, wie darauf zu bauen, dass dieser Film keine Fortsetzung erfahren wird. Denn je nach dem, wie erfolgreich der Film in den kommenden Wochen und Monaten auf Netflix sein wird, kann man für das Jahr 2021 durchaus mit einem zweiten Teil rechnen. Es liegt also in der Hand der Abonnenten zu entscheiden, wie es weitergehen wird mit dieser ungleichen Liebe. Man kann auf die ein oder andere Art also selber aktiv werden.
Warum aber hasst man den Film?
Zugegeben, es ist schwer, heute noch neue Filme zu machen. Gefühlt ist alles schon mal da gewesen und wird nun maximal noch neu verpackt. Sicherlich hat CGI das Seine dazu beigetragen, dass immer mehr Filme und Serien nun technische Wunderwerke sind, aber oftmals fehlt die Tiefe und die Handlung im Film – bestes Beispiel ist vielleicht der aktuellste Versuch von „Jurassic World“, sich wieder ins Gespräch zu bringen. Auf der Suche nach Erfolg muss man also intensiver forschen; und dies führt mit schöner Regelmäßigkeit dazu, dass Tabus gebrochen und neu definiert werden. So wird das Kidnapping und die sexuelle Anstößigkeit in „365 DNI“ einfach akzeptiert, um überhaupt etwas Spannung reinzubekommen.
Ohne diese Themen, die sicherlich noch für Debatten sorgen werden, könnte der Film auch als Telenovela im Vorabendprogramm laufen. Und es ist genau diese fehlende Tiefe, die die Fans bemängeln. Denn wer sich heutzutage die Zeit nimmt, Filme aus anderen Ländern auszutesten, der will nicht mit einer billigen Kopie abgespeist werden. Alles in allem also ein Film, den man entspannt links liegen lassen kann, oder zumindest ohne Erwartungen starten sollte.