Sentimental Value
Das Familiendrama „Sentimental Value“ greift Themen wie Erinnerung, Verantwortung und Bindung auf. Zwischen Generationen und Lebensphasen bewegt sich der Film in ruhigen, genau gesetzten Bildern. Joachim Trier führt Schauplatz, Vergangenheit und Figuren auf eine Weise zusammen, die das Unsagbare greifbar macht. Das Haus, in dem alles spielt, wirkt wie ein stiller Zeuge familiärer Umwälzungen.

| Dauer: | 133 Min. |
|---|---|
| FSK: | 12 (DE) |
| Jahr: | 2025 |
| Kategorien: | Drama |
| Regie: | Joachim Trier |
| Produzenten: | Maria Ekerhovd, Andrea Berentsen Ottmar |
| Hauptdarsteller: | Renate Reinsve, Stellan Skarsgård, Inga Ibsdotter Lilleaas |
| Nebendarsteller: | Elle Fanning, Andreas Stoltenberg Granerud, Øyvind Hesjedal Loven, Anders Danielsen Lie |
| Studio: | Mer Film, Eye Eye Pictures, Lumen, Zentropa Entertainments, Komplizen Film, BBC Film, Film i Väst, Oslo Filmfond, ARTE France Cinéma, Mediefondet Zefyr, Alaz Film, ZDF/Arte, Don't Look Now, MK Productions |
Gustav kehrt nach dem Tod seiner Ex-Frau ins Elternhaus zurück. Dort trifft er auf zwei Töchter, die ihn kaum noch kennen. Während er ein Drehbuch über seine traumatisierte Mutter vorbereitet, reagiert Nora mit Ablehnung, Agnes mit Vorsicht. Zwischen alten Vorwürfen, einem neuen Filmprojekt und leisen Versuchen der Verständigung bewegen sich die Figuren aufeinander zu. Kann ein gemeinsamer künstlerischer Prozess verlorene Nähe wiederherstellen?
Besetzung, Regie und Drehorte
„Sentimental Value“ ist ein internationales Drama aus dem Jahr 2025 unter der Regie von Joachim Trier. Das Drehbuch verfasste er gemeinsam mit Eskil Vogt. Die Filmmusik stammt von Hania Rani, während Kasper Tuxen die Kamera übernahm und Olivier Bugge Coutté den Schnitt verantwortete. Die Produktion lag in den Händen von Maria Ekerhovd, Andrea Berentsen Ottmar, Elisha und Nathanaël Karmitz sowie Juliette Schrameck. Die Laufzeit beträgt 135 Minuten, die Altersfreigabe liegt bei 12 Jahren.
Im Mittelpunkt stehen Renate Reinsve als Nora Borg, Inga Ibsdotter Lilleaas als Agnes Borg Pettersen und Stellan Skarsgård als Gustav Borg. Weitere Rollen übernahmen Elle Fanning als Rachel Kemp, Cory Michael Smith als Sam, Catherine Cohen als Nicky sowie Jesper Christensen und Anders Danielsen Lie. Der Film wurde in Oslo, Strömstad, Frankreich und Belgien gedreht und ist eine Koproduktion aus Norwegen, Schweden, Dänemark, Deutschland und Frankreich. Gedreht wurde auf 35-mm-Film mit ArriCam LT und Cooke-5/i-Objektiven.
„Sentimental Value“ feierte Premiere in Cannes und gewann dort den Großen Preis der Jury. Der Film erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen, darunter den Publikumspreis in München und Ehrungen bei Festivals in Locarno, San Sebastián, Toronto und Jerusalem. Zudem wurde er für die Oscarverleihung 2026 als norwegischer Beitrag eingereicht und achtmal für den Europäischen Filmpreis nominiert. In der Jahresliste von „Sight and Sound“ belegte der Film Platz 11.
Handlung & Inhalt vom Film „Sentimental Value“
Nach dem Ende seiner zerrütteten Ehe mit der Psychotherapeutin Sissel kehrt Regisseur Gustav Borg Norwegen den Rücken und stürzt sich in seine Arbeit. Während er sich auf seine Karriere konzentriert, wächst Tochter Agnes zu einer Historikerin mit Familie heran, während Nora sich als Schauspielerin etabliert, aber mit lähmender Bühnenangst kämpft. Zwischen ihr und dem verheirateten Schauspielkollegen Jakob entwickelt sich eine Affäre. Die beiden Schwestern wachsen mit der abwesenden Vaterfigur auf, wobei die emotionale Distanz zu Gustav ihr Verhältnis dauerhaft belastet.
Nach Sissels Tod reist Gustav zurück nach Oslo, um Anspruch auf das alte Familienhaus zu erheben. Dort trifft er auf seine entfremdeten Töchter, deren Misstrauen ihn offen entgegenschlägt. Besonders Nora hält Distanz, während Agnes sich vorsichtiger nähert. Gustav versucht, sich wieder in ihr Leben einzubringen, scheitert jedoch an alten Mustern. Zwar findet er Zugang zu seinem Enkel Erik, doch selbst diese Beziehung bleibt oberflächlich, da sich alles um Filme dreht. Gespräche mit seinen Töchtern verlaufen oft in Vorwürfen oder Missverständnissen.
Misslungene Versöhnungen
Da Gustav beruflich zunehmend ins Abseits gerät, plant er einen neuen Film, inspiriert von seiner Mutter Karin. Diese gehörte zur norwegischen Widerstandsbewegung, überlebte Folter durch die Nazis und nahm sich später im Familienhaus das Leben. Gustav will die Geschichte in genau diesem Haus verfilmen – inklusive der Nachstellung ihres Suizids. Er bietet Nora die Hauptrolle an, doch sie lehnt ab. Stattdessen engagiert er Rachel Kemp, eine bekannte US-Schauspielerin, die Netflix als Geldgeber überzeugt. Die Produktion verläuft allerdings holprig.
Kemp fühlt sich unwohl, da sie die Sprache nicht spricht und Gustav ihr gegenüber mehr Verständnis zeigt als seinen eigenen Kindern. Nora fühlt sich übergangen. Jakob verlässt zwar seine Frau, bindet sich jedoch nicht an Nora. Gustav wirft ihr vor, unfähig zur Liebe zu sein. Agnes ist wütend, als er Erik ungefragt in den Film einbaut. Alte Wunden reißen wieder auf. Kemp erkennt schließlich, dass Gustav emotional bei Nora bleibt, und verlässt das Projekt. Gustav reagiert mit einer nächtlichen Eskalation und verliert die Kontrolle.
Agnes sucht daraufhin im Nationalarchiv nach Antworten und liest erstmals das Zeugnis ihrer Großmutter. Sie erkennt darin die tiefe Prägung, die Karin an Gustav weitergab. Durch das Lesen von Gustavs Drehbuch begreift sie, dass hinter der Geschichte sein Wunsch steht, Nora zu erreichen. Nora erkennt schließlich diesen Versuch und entscheidet sich, die Rolle doch zu übernehmen. Ohne Kemp gelingt es Gustav und seinem Produzenten, das Projekt neu zu finanzieren. Am Ende blickt Nora beim letzten Take ihrem Vater in die Augen – ein stilles Zeichen von Annäherung.
Filmkritik und Fazit zum Film „Sentimental Value“
Joachim Triers „Sentimental Value“ verdichtet persönliche Geschichte, Familienspannung und filmische Selbstreflexion zu einem still vibrierenden Kammerspiel. Die Villa am Stadtrand Oslos wird zum emotionalen Echo-Raum, in dem jeder Schritt, jede Erinnerung nachhallt. Kasper Tuxens Kamera betont mit weichem Licht und bedächtiger Bewegung die Verwundbarkeit der Figuren. Renate Reinsve und Stellan Skarsgård tragen den Film mit feinen, präzise gesetzten Momenten, die Nähe suchen, aber oft aneinander vorbeigehen. Trier hält Distanz, inszeniert ohne Pathos, aber mit spürbarer Empathie.
In einer zentralen Szene sitzen Nora und Gustav in der Küche, zwischen ihnen eine Zigarette. Es wird kaum gesprochen, doch jedes Zögern, jede Geste erzählt mehr als Worte. Diese Zurückhaltung zieht sich durch den gesamten Film. Selbst wenn die amerikanische Schauspielerin Rachel Kemp ins Spiel kommt, bleibt der Fokus auf den unausgesprochenen Erwartungen zwischen Vater und Tochter. Der Film verweigert Auflösung, aber darin liegt seine Stärke. Statt großer Konfrontation entsteht Spannung aus leisen Brüchen. Die Figuren bleiben verletzlich, sperrig und gerade deshalb glaubwürdig.
„Sentimental Value“ richtet sich an ein Publikum, das Nuancen sucht, keine Antworten. Wer offene Konflikte, Tempo oder emotionale Eruptionen erwartet, wird kaum fündig. Doch wer sich auf den ruhigen Rhythmus, die präzise Regie und die dichten Schauspielszenen einlässt, findet ein bewegendes, formal starkes Familiendrama.