Diskussion um Taliban Inszenierung: Irgendwo zwischen Johnny Depp und Robin Hood

Soldat als Beispiel für die TalibanDie Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat nicht nur für die Menschen im Land große Umbrüche und Unsicherheiten hervorgerufen, denn auch die Weltgemeinschaft weiß noch nicht so genau, was sie von der neuen „de-facto“ Regierung erwarten soll und kann. Nicht nur die Kulturszene im vom Krieg gebeutelten Land könnte in Zukunft unter Einschräunkungen leiden.

Jedoch ist die Situation der Künstlerinnen und Schauspielelerinnen, aufgrund der konservativen Werte der Taliban, noch prekärer als die der männlichen Kollegen. Dabei bedient sich der neue Staatsapparat selber Mitteln, die einer Inszenierung aus einer Schauspielschule gleichen. Was sollen die Bilder der Taliban der Welt suggerieren?

Soll der Westen nur so lange beruhigt werden, bis die ersten Gelder geflossen sind, oder ist dies tatsächlich ein neues, liberaleres und vorallem regierungsfähiger Taliban, der uns hier anblickt? Im Folgendem haben wir einen kleinen Überblick über die Situation zusammengestellt und die Meinung des Islamwissenschaftlers Stefan Weidner zu relevanten Themen zusammengetragen, der auch die ein oder andere Prognose wagt.

Bilderinszenierung auf Neu-Afghanisch

Die typischen Merkmale eines Taliban Kämpfers zeichnen sich durch Markanz aus, dabei sind immer das Maschinengewehr und das rote Halstuch. Wer näher hinschaut, der erkennt auch, dass die Augen durch die Schminke entlang den Rändern einen noch mehr zu durchblicken scheinen. Neben diesem traditionellen Bild eines Kämpfers, haben die Taliban in letzter Zeit auch mildere Töne angespielt.

Die ersten internationalen Auftritte waren teilweise auf Englisch, Frauen wurden unter den Journalisten ausgewählt, um die ersten Fragen zu stellen. Doch ist das auch gleich mit einem Versprechen zu setzten? Dem Versprechen, Menschenrechte und internationale Gesetze zu respektieren? Vor allem, was den Schutz von Frauen und ethnischen Minderheiten angeht.

Ein erster Eindruck

Die Region Afghanistan wieder unter der Herrschaft der TalibanLaut Islamwissenschaftler Weidler stellt die neue Art und Weise dieser Inzenierungen einen Hiatus zur ersten Regierungsperiode der Taliban vor 20 Jahren dar. Während es zu früheren Zeiten nicht erlaubt war, ein Porträt zu fotografieren, posieren viele der Kämpfer heute gerne vor der Kamera und lassen sich geduldig auf Selfies von Passanten verewigen.

Sie haben knapp zwei Jahrzehnte im Untergrund verbracht, während denen sich die Zusammensetzung der Organisation auch verändert hat. Englisch ist vielen von ihnen heutzutage bestens bekannt, sie kleiden sich zudem etwas mondäner, präsentieren sich als professionelle und kompetente Regierungskräfte. Dennoch dürfen die traditionellen Kennzeichen nicht fehlen: der Bart, der typische Turban und das lange Gewand dominieren das neue Image immer noch.

Der durchschnitts-Taliban aus dem einfachen Volk identifiziert sich mehr mit dem früheren Bild. Auch auf den Straßen, scheint sich nicht viel zu damals verändert zu haben, denn im Gegensatz zu Maschinengewehren, sind Frauen ein seltener Anblick. Mit dem westlichen Ideal einer gleichberechtigten Kultur hat das wenig zu tun, vielleicht mehr mit einer trotzigen Reaktion auf dessen liberalen und individualistischen Werte.

Konträre Weltanschauungen

Genau auf diese sichtbare Abgrenzung zum Westen kommt es dabei an, es wird ein Lebensweg vorgezeichnet, der beinahe orientalistisch anmutet. Diese offensive Inszenierung hängt sicherlich auch mit der Allgegenwart westlicher und somit auch kapitalorientierter Propaganda des Westens zusammen. Dennoch scheinen sich die Taliban auch deren Sprache zu bedienen, denn den Westler erinnern die Bilder aus Kabul an die märchenhafte Stadt aus „Tausend und eine Nacht“.

Optisch ähnelt der Taliban für viele Johnny Depp im Piraten Blockbuster „Fluch der Karibik“. Das sogenannte „Augenschwarz“ soll aber eigentlich den bösen Blick abwehren, und ist nicht dem Filmpiraten Jack Sparrow nachempfunden. Dennoch haben Weidler zufolge viele Menschen solche Gedanken. Dass die Taliban diese Schminke nicht als verweiblicht ansehen, zeigen sie, indem sie gegen Homosexualität und Pedärastie vorgehen.

Ihr Bart soll auch dem homoerotischen Archetypen des Jünglings entgegenwirken und sie so schützen. Dennoch wollen die Taliban ihr Weltbild anders als der IS nicht verbreiten und gelten als eher örtliches Phänomen.

Eine Geschichte vom Siegen

Die Vertreibung der Amerikaner aus Afghanistan hat Sympathien bei vielen anti-kolonialistisch eingestellten Staaten hervorgerufen und die Taliban werden von ihnen wie eine Art moderner Robin Hood behandelt. Ob sie jedoch auch in Zukunft ihr Ansehen behalten, hängt sicher stark von der Fähigkeit ab, ein sicheres und stabiles Land ohne Brutalität zu regieren. Anders werden sie dem afghanischen Volk wohl keine ökonomische Perspektive und Wohlstand bieten können.

Einer der führenden Köpfe der Taliban und Sohn des früheren Warlords Siradschuddin Haqqani beherrscht Englisch fließend, andere kommen eher aus ärmeren und ländlichen Regionen, und haben eher wenig Bildung genossen. Denn eigentlich sind Taliban Studenten von Religionsschulen und lehren eine eher einfache islamische Ideologie.

Viele der Stammesleute stammen aus pakistanischen Flüchtlingslagern, aber auch hier ist die Sharia Gesetz: Alle Rechte werden auch dementsprechend ausgelegt und darunter haben vor allem Frauen zu leiden.

Fazit zur Kultur der Taliban in TV und Kino

Auch wenn laut Weidler ab und zu Fotos von Taliban auf Karussellen oder Rummelplätzen zu sehen sind, muss sich erst noch herausstellen, ob es nur übermütige Momentaufnahmen der Stunde nach dem Sieg sind, oder der tatsächliche Versuch, eine zivile Kultur aufrechtzuerhalten. Bevor jedoch wirklich internationale Gelder fließen, wird sich strukturell wohl wenig ändern.

Das hängt von nicht zuletzt von der Anerkennung der neuen Regierung durch die USA ab. Auch, falls dies der Fall wäre, kann niemand Garantieren, dass die Taliban Frauen mit in ihre gesellschaftliche Mitte aufnehmen und ihnen die gleichen Rechte wie Männern garantieren.

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